BOAG - Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung
«Neue Spielregeln der Ausbeutung (4): Abschied von der Arbeitsgruppe? Eine Begriffsklärung» von Edna Lemgo & Bethchen B.
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Die meisten Leute werden auch heute noch
nicht gerade dazu angespornt, Intelligenz zu entwickeln,
sondern ziemlich massiv dazu programmiert,
verhältnismäßig dumm zu bleiben.
Denn wenn man sich in die Mehrzahl traditioneller Jobs integrieren will,
braucht man eine solche Programmierung.
(Robert Anton Wilson, Der neue Prometheus) [1] Robert Anton Wilson, Der neue Prometheus. Die Evolution unserer Intelligenz, S. 129, Reinbek bei Hamburg: rororo transformation.

Scherzo

Als Freundinnen eleganter Einleitungen gestatten wir uns ausnahmsweise einmal ganz uncharmant direkt mit der Tür ins Haus zu fallen, um die geneigte Leserin mit zwei Fragen auf die bevorstehenden Erörterungen einzustimmen: Wir bitten, über die erste Frage nicht allzu ernst und nur solange nachzudenken, bis sich die ersten Symptome einer Depression bemerkbar machen. Dort heraus hilft dann hoffentlich der Sprung zur zweiten Frage, denn so ganz klar scheint uns das Konzept Arbeit bei etwas genauerer Betrachtung eigentlich nicht mehr zu sein.

Bevor wir gleich unseren Text beginnen, lassen wir die kooperativen Leserinnen dann jetzt eine Weile mit ihren Überlegungen allein und erzählen in der Zwischenzeit den weniger bereitwilligen Zuhörerinnen einen schlechten Witz aus der Welt der zeitgenössischen Ausbeutung im Postfordismus: «Sagt der Galeerenbesitzer zu seinen Rudersklaven: Und vergeßt nicht, wir sitzen alle im selben Boot.» [2] Dan Shocker (ohne Jahresangabe) Im Horror-Reich der Nökken, Dan Shocker’s Silber Grusel-Krimi Nr. 124, S. 18, Rastatt: Zauberkreis Verlag.


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So, da sind wir wieder. Danke fürs Mitdenken. Hoffentlich war es nicht allzu deprimierend. Sollten sich bei einigen freien Geistern schon erste Einsichten hinsichtlich unserer Einschränkungen durch die Art und Weise, wie wir Arbeit begreifen, eingestellt haben, könnte noch einmal ein Blick auf das Motto oben unter dem Titel unseres Textes geworfen werden. Mit genau dieser Fehlprogrammierung beschäftigen wir uns gerade. Wir glauben nämlich – um die Eingangsfragen aus unserer Sicht zu beantworten – daß einerseits die herrschende Arbeitsmoral unser Dasein ganz wesentlich bestimmt, und andererseits der Arbeitsbegriff, der dieser Moral zu Grunde liegt, die unendlichen Möglichkeiten unseres Daseins auf ein nicht hinzunehmendes Minimum zusammenfaltet.

Was wir damit meinen, wollen wir in den folgenden Ausführungen auch selbst verstehen lernen. Zunächst widmen wir uns daher den Verschlingungen zwischen der Arbeit und unserem Wirklichkeitsraum, um uns näher anzuschauen, wie wir Arbeit begreifen und wie die Fokussierung auf Arbeit unseren Lebensraum einschränkt. Auf diesen Erörterungen aufbauend wollen wir dann abschließend abwägen, ob wir uns von einer Bochumer Gruppe verabschieden, die die Arbeit in das Zentrum ihres Schaffens gestellt hat.


Arbeit als Dasein

Wir gehen also davon aus, daß die Arbeit und ihre Moral bestimmend für jenen westlichen Realitätsausschnitt sind, in dem wir programmiert wurden und dem wir anhaften wie das Küken der Gans. Um unsere Prägung auf die Arbeit ein wenig zu lockern, wollen wir in diesem Abschnitt im Schnelldurchlauf bis zu den Geburtswehen der Modernisierung spulen. Von dort springen wir wieder zurück in die Jetztzeit, um uns unsere eigene Situation am Ende dieses Modernisierungsprozesses zu vergegenwärtigen. Konrad Paul Liessmann, auf den wir uns im folgenden beziehen, zeichnet in einem außerordentlich empfehlenswerten Essay die Facetten der – wie er es nennt – anthropologischen Fundierung des Arbeitsbegriffs nach, mit der die Arbeit im Verlaufe der Moderne in die Natur des Menschen eingeschrieben wurde. [3] Konrad Paul Liessmann (2000): Im Schweiße Deines Angesichts. Zum Begriff der Arbeit in den anthropologischen Konzepten der Moderne, in: Beck, U. (Hrsg.) Die Zukunft von Arbeit und Demokratie, Frankfurt am Main: Suhrkamp. Liessmann gibt Max Weber recht, der die Einführung und Ausweitung der protestantisch-calvinistischen Ethik im 17. und 18. Jahrhundert als Initialzündung und Treibstoff für den Motor des Kapitalismus bezeichnete. Diese Ethik besagt, daß Arbeit ein Werk im Dienste Gottes sei und die Erträge der Arbeit eine himmlische Anerkennung darstellten. Wir bitten an dieser Stelle kurz inne zu halten, um sich so klar wie möglich zu machen, was dies bedeutet. Die Arbeit und ihre Erträge werden durch dieses schlichte religiöse Dogma zum Mittelpunkt und Ursprung der menschlichen Bestimmung erklärt. Sowohl die kapitalistische Profitmaximierung wie auch die Arbeitsgesellschaft haben ihren Ursprung nach Max Weber in dieser Ethik: Die Erträge dürfen nicht aufgebraucht werden, sondern müssen als Sinnbild göttlicher Wertschätzung akkumuliert und investiert werden. Und die Arbeit selbst wird als notwendige Voraussetzung für die himmlische Anerkennung zum Gottesdienst und damit zum selbstverständlichen moralischen Imperativ.

Diese religiöse Verschraubung des Arbeitszwangs in der Beziehung zwischen Mensch und Gott hat unseren Wirklichkeitsraum so stark geprägt, das selbst ein kritischer Geist wie Karl Marx später keine Zweifel daran hatte, daß die Arbeit zur Natur des Menschen gehört. So problematisierte er nicht die Arbeit selbst, sondern die Verhältnisse, in denen sie ausgeübt werden muß. Deutlich wird dies an seinem Begriff der Entfremdung: Der Begriff gründet sich auf die fast psychodynamisch anmutende Vorstellung von einer Art Passung zwischen einem menschlichen Geschöpf und seiner idealen Form der Arbeit. Wenn nur die gesellschaftlichen Verhältnisse die richtigen wären, könnte die entfremdete Arbeit überwunden und der Mensch in seiner Arbeit Befriedigung und Erfüllung finden.

Ernst Jünger ging schließlich in bewährter Konsequenz den entscheidenden Schritt weiter und identifizierte die Arbeit als ein ontologisches Prinzip, das unsere Wirklichkeit strukturiert. Er erklärte die Arbeit zu einem bestimmtem Zustand des «Seins, das seinen Raum, seine Zeit und seine Gesetzmäßigkeit zu erfüllen sucht. Daher kennt sie keinen Gegenstand außer sich selbst. (...) Der Arbeitsraum ist unbegrenzt, ebenso wie der Arbeitstag 24 Stunden umfaßt. Das Gegenteil der Arbeit ist nicht Ruhe oder Muße, sondern es gibt unter diesem Gesichtspunkt keinen Zustand, der nicht als Arbeit begriffen wird.» [4] Ernst Jünger, Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt. Zitiert in: K. P. Liessmann, a.a.O. S. 104.

Kommt uns das nicht irgendwie vertraut vor? Wenn wir das Wörterbuch der Gegenwart aufschlagen, entdecken wir genau diese Ausweitung des Arbeitsprinzips auf alle menschlichen Sphären. Hausarbeit, Beziehungsarbeit, Gartenarbeit, Betreuungsarbeit, Regenerationsarbeit. Wir erleben den totalen Workout unseres Daseins. Alle menschlichen Belange sind nach Effizienzkriterien organisiert. Der Arbeitsbegriff wird universaliert, so daß menschliche Tätigkeiten nur noch in Leistung mal Zeiteinheit bewertet und verstanden werden. Liessmann spricht hinsichtlich dieser feindlichen Übernahme aller menschlichen Lebensbereiche durch die Arbeitsmoral von der Laborisierung menschlicher Tätigkeiten. «Diese Form von quantifizierbarer, vergleichbarer Arbeit ist mit den dahinterstehenden Leistungs- und Meßbarkeitsansprüchen zum impliziten und expliziten Paradigma unseres Daseins geworden. (...) Wir sind seit dem 19. Jahrhundert in erster Linie und vor allem Arbeitende, und zwar ohne Ausnahme. Das Vorbild und der Maßstab dieser Daseinsform bleibt (...) die aus Erwerbsgründen angenommene Arbeit. Nach deren Modell, und das ist das sozial und gesellschaftlich Entscheidende, organisieren und verstehen wir auch alle anderen menschlichen Tätigkeiten.» [5] Liessmann, a.a.O., S.88

Um diese so bewußtseinserweiternde wie deprimierende Einsicht noch einmal zu betonen: Die Arbeit mit ihren Leistungs- und Effizienzkriterien ist das Organisationsprinzip unseres Daseins. Was nicht in den Begriffen der Arbeit daher kommt, können wir nicht verstehen, weil wir dazu programmiert sind, uns und das Leben durch die Begriffe einer Arbeitsideologie zu verstehen. Was nicht in diese Sprache zu übersetzen ist, hat keinen Platz mehr in unserem westlichen Wirklichkeitsraum, der «uns zur Rolle einer Maschine verurteilt, aus der man ohne Rast und ohne Dank Arbeit nach Belieben schinden kann.» [6] Paul Lafargue (1883) Das Recht auf Faulheit. Widerlegung des ‘Rechtes auf Arbeit’ von 1848, Vorwort, Pamphlet ohne Verlagsangabe.


Minima Laboramoralia

Der Mensch als eine Art ferngesteuertes Arbeitstier? Eine wenig erfreuliche Vorstellung. Bevor sich unsere zaghaft geöffneten geistigen Scheuklappen vor dieser deprimierenden Einsicht wieder verschließen, wollen wir uns schnell noch ein wenig genauer anschauen, wozu uns die protestantisch-calvinistische Arbeitsmoral da eigentlich degradiert. Das wird zunächst noch einmal richtig finster. Aber nur um auf das Licht am Ende unseres Realitätstunnels vorzubereiten, das wir vielleicht sehen können, wenn wir uns aus der Umklammerung des herrschenden Arbeitsdiskurses befreien. Dann verstehen wir vielleicht, das zu einem vollständigen Leben mehr gehört als die «Hauptsache Arbeit». [7] So der Titel des Magazins Stern vom 16.10.2003

Wenn der zeitgenössische Diskurs das Wörtchen ‹Arbeit› zirkuliert, meinen die Herren des Wörterbuchs natürlich ausschließlich Lohnarbeit. Arbeit, um Geld zu verdienen. Wobei wir betonen wollen, daß es in diesem Zusammenhang keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen abhängiger, scheinselbständiger oder selbständiger Arbeit gibt, denn in jeder dieser auf einen finanziellen Verdienst ausgerichteten Arbeitsformen bleiben wir Marionetten der Ökonomie, ob mit oder ohne Anteil an den Produktionsmitteln. Alles was in dieser lohnzentrierten Arbeitswelt zählt, ist die Bezahlung im Verhältnis zu Leistung mal Zeiteinheit. Das ist der Punkt, dem das Dasein der Arbeitswelt entspringt. Alles dreht sich um die bezahlte Beschäftigung. Am Ende dieser Arbeitswelt mit immer weniger konkreten Beschäftigungsmöglichkeiten geht es beim täglichen Kampf um die nach Mechanisierung, Digitalisierung und Globalisierung verbliebenen Arbeitsplätze für die atomisierten Individuen nur noch um das nackte «Überleben in der modernen Job-Welt.» [8] So der Untertitel des Magazins Stern vom 16.10.2003

Womit wir unser Stichwort hätten. In unserer Welt der Arbeit geht es so oder so nur um das Überleben, nicht um das Leben. In der Antike galten notwendige Tätigkeiten mit dem Zweck der Sicherung des nackten Überlebens als sklavische Tätigkeiten, zu denen sich ein freier Mensch niemals erniedrigen würde. Dies sind jedoch genau die Tätigkeiten, die wir ausüben müssen, um unser Überleben in der Arbeitswelt zu sichern. Um es auf den etwas überspitzten Punkt zu bringen: Wenn wir der herrschenden Arbeitsmoral glauben, wenn wir Arbeit als Naturnotwendigkeit und menschliche Bestimmung im Sinne eines moralischen Imperatives verstehen, wenn wir also arbeiten, um zu leben, sind wir nach antikem Verständnis Sklavinnen. Denn unser Handeln erwächst in diesem Fall nicht aus Freiheit, sondern aus einer uns durch die äußeren Umstände aufgezwungenen Notwendigkeit. Die freien Abendländerinnen am Ende ihrer Moderne wären also aus der Sicht der Antike ein sich selbst versklavendes Volk von niedrigen Arbeitstieren. Die alten Griechinnen fänden uns wahrscheinlich ziemlich komisch.


Vita activa

Wenn wir unser Dasein in den engen Grenzen der Arbeitswelt, in die wir uns in den letzten 300 Jahren eingeschlossen haben, aus der Sicht der Antike bewerten, kann es also nur ein vernichtendes Urteil geben: Daumen ganz weit runter, vollkommene «Daseinsverfehlung». [9] Der schöne Titel einer CD von Asmus Tietchens, unseres Lieblingsmusikers aus Jugendtagen. Den wollten wir schon lange mal erwähnen. Was aber verfehlen wir, wenn wir uns und unseren Wirklichkeitsraum durch die sklavische Erwerbsarbeit und ihre Ideologie einschränken lassen? Nahezu alles. «Frühere Epochen kannten durchaus sinnfällige Unterscheidungen zwischen Arbeit und anderen Aktivitäten, (...) und an dem Reichtum dieser Klassifizierungen läßt sich vielleicht auch ermessen, was wir schon auf der Ebene der begrifflichen Unterscheidungen mittlerweile verloren haben [10] Liessmann, a.a.O., S.91

Konrad Paul Liessmann beschreibt – Hannah Arendt folgend – die aristotelische Vorstellung eines tätigen Lebens, der vita activa. Aristoteles unterteilt das tätige Leben in drei Grundkategorien und eine übergeordnete Tätigkeit, die nur den wirklich freien Geistern vorbehalten ist. Ganz unten auf seiner Hierarchie siedelt Aristoteles die notwendige Arbeit im Dienst des Überlebens an. Diese Tätigkeiten sind vollständig unfrei und daher nur von Sklavinnen zu verrichten. Diese Arbeitsform ist im weitesten Sinne reaktiv, weil sie sich den Bedingungen der Natur zu unterwerfen hat. So muß sich zum Beispiel die Bäuerin nach den Jahreszeiten und dem Wetter richten, wenn sie ihre Felder bebauen will. Die nächste Tätigkeitsstufe ist das Herstellen, die Poiesis. In dieser Tätigkeit finden sich schon erste Anzeichen von Freiheit, weil auf die Welt mit einem Plan und einem Ziel eingewirkt wird. Der Grad der notwendigen Reaktion nimmt ab, die Freiheitsgrade steigen. Liessmann nennt Handwerkerinnen wie Bäckerinnen oder Künstlerinnen als Beispiele, die mit ihrer persönlichen Befähigung Ideen zu Werken formen. Die notwendige Arbeit und die hergestellten Produkte sichern gemeinsam die Grundbedürfnisse des Menschen als Voraussetzung für die eigentlich freien Tätigkeiten. Wirklich frei wird der Mensch erst im Handeln, in der praktischen Gestaltung des eigenen Lebens und der Gemeinschaft. Hier reagiert der Mensch nicht länger, sondern wird endlich zur freien Akteurin. In der handelnden Praxis geht es vor allem um zwischenmenschliche Beziehungen, die Kommunikation und Interaktion zwischen Menschen, von der Pflege der Pólis bis zum Krieg. Diesen drei Daseinsmöglichkeiten in der Welt stellt Aristoteles – der Philosoph – schließlich noch eine vierte und höchste Daseinsform gegenüber: die Urform philosophischer Tätigkeit, die kontemplative Anschauung. Hier löst sich der befreite Mensch ganz aus den Zwängen des Daseins, und betrachtet es, um es zu verstehen und anderen Menschen zu erklären.

Spätestens wenn wir dieses große Spektrum an Daseinsformen mit unseren Möglichkeiten in der kleinen Arbeitsgesellschaft vergleichen, sollte uns unsere beschränkte Programmierung auf das Überleben in der Job-Welt nicht mehr geheuer sein. Obwohl unser biologisches Überleben am Ende der Moderne mehr als gesichert ist und uns dadurch alle Freiheiten zu einem vollständigen Leben inklusive Praxis, Kontemplation und Muße offen stehen, schließen wir uns in einem Wirklichkeitsraum ein, über den allein die Arbeit als zentrales Dogma die Definitionsgewalt hat. Ist das nicht verhältnismäßig dumm?


Abschied von der Arbeitsgruppe?

Was machen wir also nun nach diesen Einsichten mit unserem schlechten alten Begriff von der Arbeit? Ehrlich gesagt lehnen wir ihn mindestens so stark ab, wie die Glücklichen Arbeitslosen: «Am ‘Arbeiten’ klebt das Lustfeindliche, das Müssen, das Aufgezwungene, was uns nur nicht mehr auffällt, weil wir es Tag für Tag leben müssen.» [11] Heinz Weinhausen (1998) Sparen wir uns die Ökonomie. In: Mehr Zuckerbrot, weniger Peitsche. Aufrufe, Manifeste und Faulheitspapiere der Glücklichen Arbeitslosen, S. 102f, Berlin: Edition Tiamat, Critica Diabolis 110. Die von den Glücklichen Arbeitslosen aus diesem Grund propagierte radikale Abkehr vom Arbeitsbegriff ist ein Schritt heraus aus unserer protestantisch-calvinistischen Sozialisation, in die Richtung der Horizonte jenseits unserer beschränkten Arbeitsgesellschaft. Nur wenn wir uns auf diese Weise aus der Umklammerung der Arbeitsmoral und ihrer Herrschaftsbegriffe befreien, die uns in Maschinen und Sklavinnen verwandeln, gewinnen wir den Raum zurück, um unser Leben mit all den Möglichkeiten anzureichern, von denen uns die Fokussierung auf die Arbeit fern hält.

Wir wollen dieser radikalen Abkehr vom Arbeitsbegriff daher abschließend nur noch eine gemäßigtere Variante hinzufügen, mit der wir im Wissen um unsere Programmierung auf die Arbeit unseren Wirklichkeitsraum sozusagen von innen heraus zu unseren Gunsten transformieren können. Entscheiden wir uns, in der Arbeitsgesellschaft weiter zu machen, sind wir schlicht gezwungen, einen möglichst geringen Teil unserer Zeit damit zu vergeuden, uns für unser überlebensnotwendiges Einkommen durch andere oder von uns selbst ausbeuten zu lassen. Nennen wir diese sklavische Tätigkeit ruhig Arbeit, aber nur, um dadurch die unfreien Bereiche einzugrenzen, in denen wir es auf uns nehmen, in den Kategorien der Arbeit und ihrer Moral zu denken.

Eignen wir uns den Begriff Arbeit dazu mit all seinen vorbürgerlichen etymologischen Wurzeln von Armut, Anstrengung, Mühsal, Plage, Knechtschaft, Not, Qual und Sklaverei an, kann er also durchaus unseren Widerstand gegen die Laborisierung der Gegenwart flankieren. Mit diesem eindeutigen Begriff von der Arbeit lassen sich klare Unterscheidungen treffen, um die unfreie Sphäre der Arbeit von den Sphären zu trennen, die unbedingt gegen die Verarbeitlichung des Lebens zu verteidigen sind. Gelingt es uns so, die Herrschaft der sklavischen Arbeitsmoral einzugrenzen oder sogar zurück zu drängen, gewinnen wir mehr freie Räume für die wirklich wichtigen Tätigkeiten freier Menschen: Aktion, Kontemplation, Muße.

PS: Hatten wir fast vergessen: Abschied von der Arbeitsgruppe? Wir würden es ja tatsächlich bevorzugen, uns in so etwas wie Bochumer Aktivitätengruppe umzubenennen. Aber könnt ihr Euch ungefähr vorstellen, wie häufig wir in unseren Texten und - ähem - Arbeitspapieren den Namen ändern müßten? Das wäre einfach zu viel Arbeit.



Erstellt: 5. November 2003 – letzte Überarbeitung: 5. November 2003
Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung.
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