BOAG - Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung
«'Das steht mir zu!' - Eine kulturphysiognomische Anwendung»
von Albertine Devilder & Henriette Orheim
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1. Einführung

Wir möchten in diesem Traktätchen ein Phänomen näher betrachten, welches schon in anderen Essays des Skepsis-Reservates eine Rolle gespielt hat: Die Anspruchsunverschämtheit. Welchen Anspruch meinen wir? Und warum sollte das eine Unverschämtheit sein, ganz ‹selbstbewußt› einen Anspruch zu haben und zu äußern? Wir werden es sehen.

Beginnen wir lege artis. Ein Anspruch ist eine Forderung, ein Anrecht auf etwas, eine Berechtigung, irgendetwas zu bekommen. Wenn man einen Anspruch hat, dann hat man sich etwas verdient, dann steht einem etwas zu, es gebührt einem. Einen Anspruch erheben kann aber nur ein Wesen, das sich selbst ein Recht zugesteht, einen Anspruch zu erheben. Heute nennt sich ein solches Wesen ‹Ich›. Nur ein sich von einer ‹Umwelt› abgrenzendes ‹Ich› kann Ansprüche geltend machen gegen etwas, was da außerhalb dieses ‹Ichs› liegen soll. Denken wir an Henriettes Essay mit dem schönen Titel «So viel ‹Ich› war nie», so wird uns schnell klar, daß in diesen großen Zeiten der Individualisierung und Hedonisierung aller gesellschaftlichen System-Prozesse fast alle Besiedler unserer spektaklistischen Kultur mit Emphase davon ausgehen, daß sie über ein ganz besonderes eigenes ‹Ich› mit ganz besonderen eigenen Meinungen und Urteilen verfügen. Klar, daß man dann Ansprüche stellen kann. Außerdem ist die pure Besonderheit der Existenz eines eigenen ‹Ichs› oft schon an der Benutzeroberfläche desselben abzulesen. Daraus erwächst was.

Mit anderen Worten: Ein ‹Ich› hat's ziemlich gut, denn «Unter dem Regenschirm der ‹eigenen› Meinung» lebt sich's unbehelligt und ungeniert, und aus dem Urgrund des ‹eigenen Ichs› schöpfend ist der gesunde Menschenverstand mit einem erstbesten Urteil schnell bei der Hand. Und die sozial erworbenen Standardrituale des Urteilens machen es einem ‹Ich› in guten wie in schlechten Zeiten leicht, seine Urteile über Gott, die Welt und die eigenen Ansprüche jetzt mal ganz egozentrisch zu bilden: «Ein ‹Ich› ist immer in seiner Welt, in seinem sozialen Raum, in seinem sozialen Plausibilitätsgenerierungsapparat. […] ‹Eigene› Meinungen und ‹eigene› Urteile sind so innerhalb eines sozialen Raumes selbstverständlich, weil es eben keine ‹eigenen› Meinungen und Urteile sind. Was gesagt wird, wie geurteilt wird, und was geschieht, war ja zu erwarten. Konsens eben. Aber es ist ein illusionärer Konsens. Denn auf der Parkbank gleich nebenan wird ein anderer Konsens transportiert.» [1] Zitiert nach Albertine Devilders und Henriette Orheims Essay: «Kleine Psychologie des Urteilens (4): Egozentrische Urteile».

Und heute ist das eben so, daß fast alle sozialen Konsensgemeinschaften unangefochten in sich ruhen und davon überzeugt sind, daß die ‹eigene› Weltsicht die richtige ist. Und in fast allen sozialen Konsensgemeinschaften gehört es eben zum guten Ton, zu glauben und darauf zu bestehen, daß alles das, was außerhalb des ‹eigenes Ichs› ist (die Anderen, der Staat, die Gesellschaft), dafür Sorge zu tragen hat, daß das ‹eigene Ich› alles das bekommt, was ihm vermeintlich zusteht! Ja, da gibt es schon bestimmte Ansprüche. Und wenn die nicht erfüllt werden, dann kann man sich mit Fug und Recht darüber arg empören! Denn es ist überhaupt nicht zu verstehen, wie ‹anständige› und ‹vernünftige› Menschen über diese soeben erhobenen Ansprüche einfach hinweggehen können!

Kaum jemand merkt, daß es nur eine Finte der spektaklistischen Gesellschaft ist, die Kulturinsassen in dem Glauben zu wiegen, ihnen stünden ‹eigene› Meinungen, Urteile und Ansprüche aller Art zu, und sie dürften und müßten (!) sich bei einer Nichterfüllung angemessen erregen und empören. Die Gesellschaft des Spektakels braucht diese leere und unverbindliche Empörung, und sie weiß sie schon auf die üblichen Verdächtigen zu richten.

Schauen wir mal etwas näher auf das, was in diesen Zeiten jemandem zustehen, was er also beanspruchen kann!


2. Das steht mir zu!

Und was steht einem zu? Na ja, eigentlich alles, was einem so einfallen kann. Was einem heute in Leitartikeln, Kommentaren und Leserbriefen (ja, besonders da!) an Ansprüchen an die Pólis und an Mißgunst gegenüber den Ansprüchen anderer sozialer Gruppen entgegen schwallt, ist – für eine Skeptikerin kaum mehr auszuhalten. Wie und woher die Menschen – als Angehörige von sozialen Konsensgemeinschaften – immer so genau wissen, wer Ansprüche gegenüber der Pólis zu Recht erheben darf (in aller Regel ist dies das Kapital, dessen ‹wirtschaftliche› Tätigkeiten dringendst gefördert werden müssen) und wer nicht (in aller Regel sind das Lohnabhängige mit und ohne Arbeit, Sozialhilfeempfänger, Alte, Kranke, Ausländer und so), ist leicht zu verstehen. Denn es wird uns ja täglich erklärt. Und wie die einschlägigen Medien sich nach der inhaltlichen Ausrichtung dieser Ansprüche einteilen lassen! Und wie einhellig in unserem finalen Kapitalismus der Anspruch an ein wirtschaftliches Dauerwachstum – als mit dauernden Gewinnsteigerungen verbundene und sich unendlich perpetuierenden fetten Jahre – gestellt wird! Ansprüche allüberall. Und ganz ohne Scham werden sie erhoben, unverschämt also: Gott, was den Menschen alles zusteht!

Müssen wir wirklich Beispiele nennen? Ist nicht schon längst alles klar? Nein? Ok. Wir beschränken uns auf einige wenige Anwendungen. Das reicht dann aber auch, denn die Aufzählung macht keine Freude. Aber wir sind halt Wissenschaftlerinnen, da geht es nicht um unser Wohlbefinden, sondern um die Wirklichkeit!

Fangen wir mit einem immer aktuellen Beispiel an, welches Helmut Hansen schon in seinem Essay «Kultur ist Reichtum an Erregung» aufgegriffen hat: Der Bahn. Der Deutschen Bahn. Genauer, dem Bahn-Bashing: «Wird dort zum Beispiel ein neues Preissystem eingeführt, erwartet der ‹kleine Mann auf der Straße›, […] daß er […] selbstverständlich höchstens 25 % des regulären Tarifs bezahlt, sonst fühlt er sich betrogen.» Wie viele Ansprüche der Bahn gegenüber geäußert werden, ist wirklich sehr erstaunlich. Die schlimmsten und unerfüllbarsten Forderungen kommen, wie Helmut genau erkannt hat, von denen, die ohnehin nie mit der Bahn fahren: Die Bahn muß unabhängig vom Wetter allzeit pünktlich und sauber sein (zum letzteren hat man selbst natürlich nichts beizutragen), und vor allem darf sie – in diesen schlechten Zeiten – nichts kosten, na ja, fast nichts: «Das steht mir zu!» Und wie die Leserbriefspalten überquellen von Drohungen, nach einer großen angeblichen Enttäuschung mit der Bahn nun subito wieder mit dem eigenen Auto zu fahren! Sollen sie doch, bei jedem Wetter!

Ein ähnliches Dauerthema ist der Diskurs um Abgaben und Steuern. Wenn öffentliche Haushalte völlig pleite sind und es um ‹Sparmaßnahmen› oder gar um ‹Opfer› geht, dann zeigt jedes organisierte soziale System mit dem Finger auf ein anderes soziales System, bei dem doch bitte zunächst etwas eingespart werden soll. Und die Angehörigen von Konsensgemeinschaften übernehmen natürlich diese Zeigerei mit dem Zeigefinger und bestehen ganz gnadenlos auf dem, was ihnen zusteht. Sparen? Das kann man nur bei anderen! Und daß die Ansichten, die bestimmte soziale Systeme (sagen wir: die Angestellten) über andere soziale Systeme (sagen wir: die Beamten) haben und auch äußern, mit der ‹Wirklichkeit› in aller Regel nichts zu tun haben, verweist nur auf den ununterbrochen negativ geförderten Grundintellekt unserer Kulturinsassen.

Ein weiteres Beispiel: Die in Konsensgemeinschaften definierten besonderen Rücksichten, die Nachbarn – eines Reiheneigenheimes oder einer Mietwohnung – zu nehmen haben, werden in immer mehr Gerichtsverfahren festgelegt. Ach, das sind so lächerliche und peinliche Fälle. Um was Nachbarn sich streiten können! Und wie empört sie sind!

  • Da verlangt ein ‹Ich›, das um 15:30 von der Arbeit in seine Wohnung zurückkehrt, daß alle Nachbarn von da an bis um 19:00 sich völlig ruhig verhalten und sich insbesondere des Klavierspielens, des Musikhörens oder des Spielens mit Kindern enthalten, denn das ‹Ich› muß in dieser Zeit schlafen. Das steht ihm zu. Und das ‹Ich› ist völlig überrascht, daß dies alle anderen Nachbarn nicht genau so sehen, ja, daß die einfach nicht verstehen wollen, daß er doch wirklich nur müde ist. So ist das. Und was sagt das müde ‹Ich›, wenn die Nachbarn kein Einsehen haben und die Kinder den ganzen Nachmittag über nicht ruhig sind: «Diese Wohnung ist unbewohnbar.»
  • Da verlangt ein Eigenheimbesitzer, daß kein Laub herüberwehen darf vom Nachbargrundstück auf die eigene Parzelle. Und das ‹Ich› hat noch etwas auf dem Herzen und äußert es auch, immer wieder, ohne Scham: «Das habe ich denen jetzt schon ein paar Mal gesagt, wenn die grillen, darf der Geruch nicht auf unser Grundstück ziehen. Das steht uns zu.»

  • Selbstverständlich sieht nach einer im Namen des Volkes vorgenommenen Definition von sozialen Regeln der ‹Unterlegene› auf keinen Fall ein, daß seine Meinung oder sein Urteil falsch sein könnte. Was er da als Fehlverhalten beim Anderen inkriminiert und als Wohlverhalten vom Anderen gefordert hat, das stand ihm zu. Unabhängig von einem Gerichtsurteil. Also will er das jetzt mal genau wissen, ob ihm das nicht doch zusteht. In der nächsten Instanz. So geht das. Und das ist äußerst langweilig. Interessant und ästhetisch wird ein solch' banaler Streit unter Nachbarn nur, wenn er literarisch ausgeformt und überhöht wird, wenn er zu einer künstlerischen Pointe findet, wie das – unter vielen anderen – etwa Lew Nikolajewitsch Tolstoi in einer kleinen Erzählung gemacht hat. [2] In Tolstois bekannten Volkserzählungen – entstanden 1881 bis 1885 – gibt es eine mit dem Titel «Auf Feuer habe Acht!». Die Lösung des Streits unter Nachbarsfamilien wird hier von einer Seite dadurch gelöst, daß – am Ende einer langen Kette von Häßlichkeiten – ein einziges Mal auf ein erneutes «Das steht mir zu!» verzichtet wird. Referenz: L. N. Tolstoi (ohne Jahresangabe): Erzählungen. Dritter Band. Leipzig: Insel Verlag. Seite 120–139. In einem großen Literatur-Lexikon wird der Titel der oben genannten Erzählung mit einem «Lösche das Feuer, solange es glimmt» übersetzt. Das trifft den Kern der Geschichte und den ‹tit for tat›-Charakter von Nachbarschaftsstreitigkeiten – und wie dem abzuhelfen wäre – noch viel besser. Referenz: Walter Jens (Herausgeber) (1988): Kindlers Neues Literatur Lexikon. Studienausgabe. Band 16. St–Va. Seite 667. München: Kindler Verlag.

    Noch ein Beispiel? Wie wäre es mit der «Dosenindustrie»? Die Führungskräfte, die mit der Herstellung von Aluminiumdosen Geld verdienen, haben im Jahr 2002 gezeigt, daß sie es aus übervollem Herzen überhaupt nicht verstehen können, daß die Legislative in einer Demokratie Gesetze verabschiedet, die ihnen ganz persönlich jetzt nicht gefallen. Das steht ihnen doch zu, daß Gesetze auf ihre Interessen hin ausgerichtet werden. Erstaunlich? Nein.

    Als letztes: «Die schlimmste Lichtquelle der Welt», These 9: «Der wichtigste Punkt ist […], daß Kinder ganz ausschließlich ein Gesellschaftssystem kennenlernen – den finalen Kapitalismus – und eine mögliche Rolle in diesem System: Den Konsumenten. […] Sie lernen eine Angebotserwartungshaltung. Und die führt dann später zur Anspruchsunverschämtheit: ‹Ohne neue Nikes kann ich mich in der Schule nicht mehr sehen lassen!›»


    3. Zur Psycho-Logik der Anspruchsunverschämtheit

    Ansprüche und Anspruchsunverschämtheiten gibt es überall, bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern, bei reichen Steuerhinterziehern und armen Sozialhilfebetrügern. Jeder beansprucht etwas auf seinem Niveau, fordert das zu kriegen, was ihm zusteht. Ist es nur Raffgier? Nur Dummheit? Nun, im finalen Kapitalismus ein Gefangener der eigenen Gier zu werden und sinnlose Güter aufzustapeln, das ist naheliegend. Und die automatisierte Frustration, der Zorn, ja die Dauererregung, wenn man nicht das alles bekommt, was einem doch zusteht, – ach, geschenkt.

    Psychologisch interessant könnte die Frage sein, wie und warum ein anspruchsunverschämter Kulturinsasse – sagen wir mal ein Nachbar – sich ehrlich darüber wundern kann, daß ein Besiedler eines anderen sozialen Raumes ebenfalls Ansprüche erheben kann und darf auf etwas, was ihm nun zu steht. Wo kommen diese Bastionen des ‹richtigen›, ‹angemessenen› Anspruchs her und diese völlig mangelnde Achtsamkeit und Einfühlsamkeit in die Lage anderer? Läßt eine völkerpsychologische Mythographie uns als ‹Deutsche› wirklich so aussehen, daß wir uns stets im Recht wähnen und uns über das Andersartige mit seinen andersartigen Ansprüchen entrüsten und empören und – erheben? Heißt ‹Deutsch› sein, dem Chauvinismus verfallen zu sein? Und wenn ja, ist das genetisch bedingt? Haben wir als ‹Deutsche› einfach die blöderen Gene? Schließlich ist ‹der kleine Mann auf der Straße› äußerst klebrig und er läßt auch nicht locker, wenn er einmal ein Anspruchsziel, etwas, was ihm zusteht, ins Auge gefaßt hat und immer weiter verfolgt.

    Peinlich ist insbesondere, daß diese ganze deutsche Raffgier und Anspruchsunverschämtheit so unpolitisch und damit so dumm ist. Dieses «Das steht mir zu!»-Gekreische ist ein schieres «Oikos»-Geplärr: Wo bleibt da die Pólis? Wenn jeder subjektiv ja ganz berechtigte Forderungen erhebt, wer kümmert sich dann um den Forderungenausgleich, um die Abstimmung der Forderungen in einer Gemeinschaft, um das Aushandeln, um die diskursive Interessenannäherung, um die Pólis? Und machen die Leute, die Ansprüche gegenüber der Pólis anmelden und erheben, der Pólis auch mal irgendwelche Angebote? Fragt in Deutschland jemand, was der Pólis zusteht? Welche Ansprüche diese hat? Und was ein ‹Ich› für die Pólis tun kann?

    Versteht diese Fragen irgendjemand da draußen? Kann das ein in seine vermeintlichen Ansprüche eingewickeltes ‹Ich› begreifen? Haben unsere wirtschaftlichen, ökologischen und psychologischen Probleme genau mit der Lebensweise zu tun, die dazu führt, daß soeben unser Keller wieder überschwemmt wurde? Ist der Sieg des «homo oeconomicus» und der damit verbundene Abschied vom «homo politicus» endgültig? Versteht ein von Raffgier und Anspruchsunverschämtheit geprägtes postmodernes ‹Ich› noch, daß es außerhalb von ihm selbst etwas Werthaltiges gibt, daß sich nicht kaufen läßt? Ist es soweit? Gibt es nur noch ganz ganz viele bunte ‹Ichs›? Nebeneinander?

    Lieber Leser, liebe Leserin, Sie finden das hier von uns entworfene Bild Ihrer Mitmenschen nicht so schön? [3] Unter uns: Sie selbst sind mit unserer Darstellung der deutschen Anspruchsunverschämtheit nicht gemeint, sonst hätten Sie sich ja nicht auf diese Seite des Skepsis-Reservates verirrt, oder? – Na ja, wer in diesen Zeiten seine Anspruchsunverschämtheit nicht im Gesicht spazieren führt, einen zyklopischen Blick meidet und darüber hinaus noch ein Gefühl für Ästhetik und Würde hat, ist wirklich bedauernswert. Denn er wird als Gutmensch ausgelacht. Und da wir in diesem kleinen Essay den breiten Weg zum vermeintlichen Glück, den kleinsten gemeinsamen Nenner aller gemeinsam Anspruchsunverschämtheiten geschildert haben, möchten wir einen der vielen schmalen Wege skizzieren, die uns bleiben. Es gibt so viele Auswege. Wir müssen sie nur gehen.


    4. Der Weg ins Freie

    Die verschiedenen Buddhistischen Schulen und Richtungen haben aus dem, was Gautamo Buddha einst gesagt hat oder gesagt haben soll, unterschiedliche Ableitungen, Übersetzungen und Interpretationen erarbeitet. So existieren zwischen dem Zen, einem ganz reduzierten, auf das Wesentliche, also wirklich das Wesen des Buddhismus reduzierten Weg, und einem tantrischen Buddhismus, der bunt, laut, klappernd, mit Ornamenten und Dekorationen beladen daher kommt, viele verschiedene Stile und Richtungen. [4] Hier ist nicht der Ort, über Erscheinungsweisen des Buddhismus zu reflektieren. Wir möchten nur zwei ungefähre Pole eines von uns aufgespannten Feldes benennen. Alle diese Schulen eint jedoch der Glaube an die Hauptlehren des Buddhismus. Dies sind «Die vier edlen Wahrheiten» (des Leidens), «Der achtfache Pfad» (zur Überwindung des Leidens) und – eine spezifische Sittlichkeitslehre – «Die fünf Regeln» (der bewußten Lebensführung). Eine dieser fünf Regeln nimmt ein Diktum von Gautamo Buddha auf, welches in einem äußerst krassen Gegensatz zu der bisher in diesem Traktat skizzierten selbstgewissen Anspruchsunverschämtheit steht. Es lautet: «Nicht-Gegebenes nicht nehmen.»

    Diese Aussage geht viel weiter als das christliche «Du sollst nicht stehlen!», denn es öffnet uns den Blick auf das, was uns – unserer Ansicht nach – in dieser Welt alles so «zusteht». Das sind ja nicht nur Güter und Dienstleistungen aller Art, sondern auch Raum, Zeit, Geduld und Fürsorge anderer Menschen. Und dieser Satz Gautamo Buddhas öffnet uns den Blick für alles das, was wir selbstverständlich erwarten, ohne selbst etwas dafür zu tun.

    Ein Buddhist nimmt nur das, was man ihm freiwillig gibt. Stellen wir uns das mal vor! Das wäre doch ein Anfang!



    Erstellt: 12. Januar 2003 – letzte Überarbeitung: 12. Januar 2003
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