BOAG - Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung
«Apples ‹iPad›: Zur Psychologik einer merkwürdigen Entrüstung»
von Helmut Hansen & Artus P. Feldmann
Als PDF-Datei laden

«Die Hunde bellen jeden an,
den sie nicht kennen,
und der Pöbel greift alles an,
was ihm neu ist.»
(Heraklit)

Eine Entrüstung

Sobald die Firma Apple in Deutschland einen neuen Laden eröffnet oder im fernen Kalifornien ein neues Produkt vorstellt, schwillt in den einschlägigen deutschen Medien-Foren ein Sturm der Entrüstung an, der sich über Tage hält. Worüber entrüsten sich die vielen Schreiber? Warum entrüsten sie sich? Und warum entrüsten sie sich so heftig? Schwer zu sagen. Aber dieses soziale Phänomen ist schon über einen längeren Zeitraum hinweg stabil zu beobachten. In diesem Traktat werden wir einige Antworten finden.


Zur Wirklichkeitsprüfung einer Entrüstung

Am 27. Januar 2010 stellte der CEO von Apple ein neues Produkt vor, das iPad. In den folgenden Tagen haben wir sorgsam Beiträge zu eben diesem iPad in den Foren verschiedener Medien gesammelt und sortiert. Es sollte uns nicht erstaunen, daß die meisten Kommentare und Einsendungen auf den Internetseiten computeraffiner Medien erschienen (bei heise.de etwa waren es über 1000). Jedoch auch auf den Internetseiten seriöser oder ehemals seriöser Medien, wie der Süddeutschen Zeitung oder dem Spiegel, gab es eine Fülle von Beiträgen, die dem Titel dieses Traktates Genüge leisteten: Sie kündeten von Entrüstung, verwiesen auf einen erstaunlichen Hass auf die Firma Apple, und sie zeigten alle Anzeichen einer Xenophobie. Wie kann das sein?

Fangen wir an. Alle in diese ‹anmutigen Winkel› gesetzten Bemerkungen sind Originalzitate, die wir – da wir niemanden bloßstellen wollen – schonend einer angemessenen Rechtschreibung und Interpunktion zugeführt haben:

(1) Die Firma Apple

Zunächst einmal wird von den Kommentatoren immer wieder behauptet, die Firma Apple sei eine Art ‹Religionsgemeinschaft›, eine ‹Sekte›, ähnlich wie ‹Scientology, nur schlimmer›: ‹Langsam erinnert mich Apple an Scientology. Möge sie der Zorn Gottes erschlagen!› Darüber hinaus sei die Firma Apple eindeutig ‹schwul›. Ferner sei Apple ‹immer schlechter als Microsoft›, denn Apple sei ‹absoluter Scheissdreck›. Kurz: ‹Apple sucks!› Oder: ‹Nieder mit Apple!›

(2) Der CEO der Firma Apple

Über den CEO der Firma Apple, Steve Jobs, wird behauptet, er sei ‹schwul und lebe in einer Schwulenkommune›. Darüber hinaus sei er ein ‹Guru›, der ‹seine Anbeter wirklich komplett gehirngewaschen habe›, denn ‹geistig klare Menschen wollten mit Apple nichts zu tun haben›. Ein Kommentator schreibt: ‹WINDOWS FOREVER. Steve Jobs sollte sterben!›

(3) Die Produkte der Firma Apple

Fast alle Kommentatoren sind sich darin einig, Produkte der Firma Apple wie iPods, iMacs, MacBooks oder iPhones seien nicht nur ‹schlecht›, sondern stellten auch niemals etwas Neues dar: ‹Apple ist die Schmarotzerbude Nr. 1, denn sie stellen nicht wirklich innovative Produkte her, sondern schrauben aus Jahre alter Hardware etwas "neues" zusammen und gießen es in ganz viel Plastik, damit es auch schön glänzt›. Und: ‹Was hat Apple denn schon geleistet? Ausser diesem iScheiss wie iPod, iTunes usw. Diesen Rotz kann doch nur ein schwuler Apple Nutzer mögen!›

Hier ein etwas ausführlicheres Zitat, welches die wesentlichen Bestimmungsstücke der Entrüstung enthält: ‹Dieser überteuerte Chinaramsch ist ja nicht mal kompatibel zum Industriestandard aus Redmond, Internet funktioniert auch nicht richtig, da es keinen IE7 für OS X gibt, Windows Mediaplayer, ebenfalls Fehlanzeige, für Spiele ist die Hardware viel zu schrottig, die Softwareauswahl im Allgemeinen ist mehr als dürftig usw. und OS X hinkt dem technischen Standard der MS Betriebssysteme in jeder Hinsicht um mindestens ein halbes Jahrzehnt hinter her. Wozu also Apple, wo es doch in jedem Elektronikmarkt bessere Hardware für den halben Preis gibt, und obendrein noch ein richtiges Betriebssystem vom Marktführer Microsoft.›

Ein immer wieder vorgebrachtes ‹Argument› bezüglich der verschiedenen Apple-Produkte ist auch, daß es sich hier um ‹Wegwerfware› handele. Zum neuen iPad heißt es: ‹Jaja, wieder mal ein Einweg-Wegwerfgerät, diesmal sogar für $500. Wunderbar, Apple. Entweder Abzocken beim Austauschen oder Abzocken beim Neukauf›. Interessanterweise wird beim neu vorgestellten iPad nicht erwähnt, was es alles könne, sondern was ihm alles fehle.

Viele Kommentatoren betonen, die Produkte der Firma Apple seien nichts für Leute, die wirklich gute Produkte bräuchten und die wirklich was zu erledigen hätten. Statt dessen seien sie gut geeignet für Kinder (als Kinderspielzeug), für Frauen ohne Durchblick und für Omas.

Häufig wird auch von den überaus schlechten Erfahrungen mit Apple-Produkten berichtet, die jemand anderes damit gemacht habe. So habe etwa die Freundin eines Forenbeitragsschreibers einmal einen iPod geschenkt bekommen und versucht, MP3-Dateien darauf zu spielen. Da das aber nicht funktioniert habe, habe sie ‹den iPod weggeworfen›. Ein anderer Kommentator behauptet, das iPhone sei zwar ‹schick, da es aber abgerundete Ecken habe, sei es schwul›, und überhaupt ‹könne man damit nicht einmal telefonieren›.

Ein Kommentator faßt es kurz und bündig zusammen: Die Firma Apple zwinge ihre Kunden mit ‹Gehirnwaschmethoden›, schlechte Produkte zu einem überhöhten Preis zu kaufen und bei Inbetriebnahme des schlechten Produktes ‹schon mal ihre Bankverbindung anzugeben. Wer will das? Nur weil es hip ist?› Und: ‹Es gibt also ein idiotPhone, ein idiotPod und nun ein idiotPad. Und jeden Abend lacht sich Meister Jobs kaputt darüber, wie toll sich seine Jünger mit seinen schicken, überteuerten Produkten fühlen›.

Ein Bonmot zum Schluß: ‹Der dümmste Scheiss an Apple ist die Inkompatibilität mit Apple›.

(4) Die ‹Inszenierung› der Produkte

Das neue Produkt der Firma Apple, das iPad, wurde von ihr selbst bis zu dem Vorstellungstermin am 27.1.2010 weder in irgendeiner Weise beworben noch in irgendeiner Form erwähnt. Den Hype um das neue Produkt erzeugten andere Medien. Am Tag der Vorstellung gab es eine etwa 90 Minuten währende Präsentation, die vom CEO und verschiedenen anderen Mitarbeitern von Apple getragen wurde. Beim Bericht über die ‹Inszenierung dieses Produktes›, kommen die eingebetteten Journalisten und Kommentatoren nun nicht daran vorbei, zu betonen, daß es sich bei der Firma Apple um eine Sekte handele (siehe Punkt 1) und daß die Vorstellung des iPads eine ‹religiöse Show› gewesen sei. Prototyp der Berichte ist ein Text in der ‹Hannoverschen Allgemeinen Zeitung› vom 28.01.2010:

‹DIE APFEL-RELIGION.
Pseudoreligiöse Inszenierung für die Apple-Jüngerschaft.
Halleluja und Hosianna: Wie der Apple-Konzern mit pseudoreligiösen Inszenierungen seine Jüngerschaft umgarnt.
Wie Apple-Chef Steve Jobs in dieser Woche in Kalifornien die Tablet-Neukreation seines Hauses vorstellte – das überstieg jede normale Produkteinführung bei Weitem: Im dunklen Outfit hält der charismatische Apple-Boss das magisch leuchtende Gerät in die Höhe – fast wie Moses die Gesetzestafeln des Herrn›.

(Nur nebenbei: In den Kommentaren in den verschiedenen Foren entrüsten sich auch viele andere, daß der CEO von Apple die Präsentation in Jeans, Turnschuhen und einem schwarzen Pullover vornahm.)

Der obigen Leitlinie folgend heißt es in einem Forenbeitrag über das neu vorgestellte iPad ganz richtig: ‹Hosianna! Nach dem Jesus-Phone nun eine Tafel für die 10 Gebote...›. Typisch ist auch dieser Beitrag: ‹Leider schaffen es die Apple-Lemminge, von denen es nicht mal zahlenmäßig viele gibt, immer wieder für Aufsehen zu sorgen. Tja, große Klappe und nichts dahinter›.

Da die Vorstellung des iPad des Morgens in Kalifornien stattfand, konnte man den Ablauf dieser Veranstaltung in Europa etwa von 19:00 bis 20:30 im Rahmen von Live-Tickern verfolgen, die von verschiedenen Computerzeitschriften angeboten wurden. Dazu sagt ein Kommentator: ‹Ich kenne tatsächlich Leute, die nachts aufbleiben und mehrere Blogs auf Auto-Reload stellen, um zu erfahren, wofür sie ihr Geld als nächstes ausgeben müssen. MUAHAHAA!› Das Wort ‹müssen› ist hier das entscheidende.

(5) Die Kunden der Firma Apple

Nach dem bisher Gesammelten dürfte klar sein, daß die meisten Kommentatoren davon überzeugt sind, Kunden der Firma Apple seien nicht nur schwul, sondern eben auch Poser. Und Poser, also schlicht Angeber, seien sie, weil sie durch den Kauf von Apple-Produkten Aufmerksamkeit erzeugen wollten, indem sie etwa in einer S-Bahn im geeigneten Moment ein Apple-Produkt aus der Tasche zögen und damit Anerkennung und Ansehen erheischen wollten. Von den Produkten selbst hätten die Poser allerdings keine Ahnung, denn sie wollten ja – ‹gehirngewaschen und religiös umgarnt wie sie eben seien› – nur aus niedrigen Motiven heraus der Subkultur der Apple-Fanboys angehören. Und ein Apple-Fanboy sei per se überheblich und meine, er wäre etwas besseres: ‹Immer diese Apple Nutzer, die schon von ihrem scheiß Apple Zeug so verrückt sind und nicht mehr wissen, was gut ist!› Fazit: ‹Schaut man sich die Verhaltensweisen von Apple-Jüngern an, so steht das "i" in den Produktnamen offensichtlich für "idiot"›. Und: ‹Sie leiden unter dem ‹Stockholm-Syndrom!›› Und: ‹Sie sind klare Fälle für die Psychiatrie›.

Das Wort ‹Fanboy› ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Es gibt kaum einen Kommentator in den einschlägigen Foren, der auf dieses Wort verzichten möchte. Hier macht es ein Einsender ganz deutlich: ‹Ich sag dir, was Scheiße daran ist! Diese Rumgezicke von den Apple-Usern, die glauben, sie sind die Obermenschen, und wenn man selber entscheiden möchte, was man lieber hat, gleich als Idiot abgestempelt wird. Und wie uncool es doch ist, nicht Trilliarden für den Scheiß auszugeben. Dann denkt man sich vielleicht, ist doch gut und wenn man's hat, fragt man sich, wofür dieses schwule Kinderprogramm. Ich brauche kein Kindergartenspielzeug, sondern eine Rechenmaschine!!! Und wenn's geht, um einen akzeptablen Preis!!›

Die meisten Kommentatoren sind sich in der Einschätzung einig, daß es eigentlich nicht zu verstehen sei, wie man überhaupt nur zu einem Apple-Fanboy werden könne. Aber wenn man dann einer wurde, habe man jeden Halt und jede Vernunft verloren: ‹Man muss schon Apple-Jünger sein, um sich der Schar der Anhänger einer monopolistischen Bewegung, die jeden Hype mitmacht, anschliessen zu können›.

Und zu dem neuen Produkt, dem iPad, heißt es: ‹Weder hat der iPad etwas göttliches, noch ist die Menschheit auf das Gerät angewiesen›. Und: ‹Nur nicht aufregen: der Kauf eines Apple-Produktes zieht seine eigene Strafe nach sich. So abgezockt, wie Apple-Jünger, werden sonst in der Tat nur noch Scientology-Anhänger. Aber ein paar Apple-Gläubige werden wieder tagelang Schlange stehen, um das Teil als Erster in Händen zu halten›.

(6) Die Rolle der Medien

Immer wieder wird in den Kommentaren heftig die Frage gestellt, warum das jeweilige Medium (Zeitung, Zeitschrift bzw. Webseite derselben) überhaupt von Apple Notiz nehme und einen Bericht über ein neues Produkt schreibe. Das sei angesichts der geringen Bedeutung der Firma Apple, die schlechte Produkte herstelle, völlig überflüssig. Apple gewönne eine ungerechtfertigte Beachtung nur aus dem Hype, den die Medien erzeugten. Wenn also ein Medium über Apple berichte, dann nur, und da sind sich die meisten Einsender völlig einig, weil Geld geflossen sei und das Medium bezahlte Werbung für Apple mache. Und dies sei zutiefst unmoralisch.

(7) Der Kommentator als Person

Es ist nicht überraschend, daß fast alle Kommentatoren in den einschlägigen Medienforen vermutlich Männer sind. Wir können es aus den diversen Pseudonymen nicht immer herauslesen, aber zumeist ergeben sich doch klare Hinweise. Wir möchten der Kürze halber in diesem Absatz auf längere Zitate verzichten und einfach nur zusammenfassen, was der durchschnittliche männliche Forenschreiber in seinem Beitrag heraus streicht: Zunächst einmal sei er ein erfahrenen Computer-Nutzer, ein Experte, der das Betriebssystem von Microsoft verwende, welches auf 95% aller Computer ‹laufe› und deswegen ‹nur gut sein könne›. Dann betont er, er habe in diesem Zusammenhang und bei diesem Produkt (dem iPad) den Durchblick und könne deswegen – ganz persönlich jetzt – niemals auf irgendein Apple-Produkt und die ganze Apple-Marketingmasche hereinfallen. Und buchstäblich jeder kommentierende Mann betont, daß er sich das soeben neu vorgestellte Produkt (das iPad) auf gar keinen Fall kaufen werde, denn es sei ‹zu schlecht›, es ‹könne nichts› und ‹es sei zu teuer›.

(8) Der Umgang mit Kritikern

Überraschend ist, wie einig sich die Forenschreiber in all ihren Behauptungen, Bewertungen und Unterstellungen sind. Sie bilden tatsächlich eine stark abgeschottete In-Group. Nur etwa jeder hundertste Beitrag wagt es, Verständnis für die Firma Apple zu zeigen, ein Produkt von Apple zu loben oder auf die gröbsten Unterstellungen, falschen Behauptungen oder mangelnden Kenntnisse der Forenschreiber einzugehen. Dann schwillt der Entrüstungssturm noch weiter an, und es kommt zu Beschimpfungen und Beleidigungen. Metakommunikation, also ein Austausch über das, was in einem Forum gerade geschieht, findet nur ganz selten statt. Damit kann keiner umgehen. So überrascht es sehr, wenn in einem Forum bei heise.de plötzlich eine Frau (!) fragt, ob man denn hier im ‹Kindergarten› sei. Die Reaktionen darauf lassen sich ausmalen.


Fazit: Zur Psychologik einer Entrüstung

Die Menschen hinter den von uns akribisch gesammelten Forenbeiträgen glauben an die moralische und vernunftgeladene Überlegenheit der Gruppe, der sie sich zugehörig fühlen, und dies ist die riesengroße Gruppe der Benutzer von Betriebssystemen der Firma Microsoft.

Wir sehen also, wie eine sehr große Gruppe von Computernutzern sich in einer Berechtigung sieht, über eine vermeintlich kleine Gruppe, eine Minderheit von Nutzern, herzufallen. Das ist naturgemäß ein klassischer Fall von Sozialem Chauvinismus. Die Forenschreiber betonen in beinahe jedem einzelnen Beitrag die Superiorität der eigenen sozialen Computer-Kultur und des eigenen sozialen Raumes. ‹Apple-Fanboys› werden dagegen als minderwertig und abartig empfunden, obwohl – interessanterweise – viele Forenschreiber vermuten, daß diese ihnen an Bildung, Wohlstand und Intellektualität überlegen zu sein scheinen. Es ist auch nicht zu übersehen, daß viele Forenschreiber vermuten oder befürchten, daß die Apple-Produkte tatsächlich ziemlich gut sind. Ein ernster Konflikt, der viele Reaktionen, etwa die, sich die Apple-Produkte vom Leibe zu halten, erklären könnte.

Sehr praktisch ist es nun, einer offensichtlich ‹höher› stehenden Gruppe das Etikett ‹schwul› anzuhängen und ihnen gleichzeitig eine ‹Hirnwaschung› zu attestieren nach dem Motto: ‹Guru befiehl, wir folgen und kaufen besinnungslos jeden Dreck›. Es ist für diese In-Group wohl sehr ärgerlich, daß die arroganten, dekadenten und nur auf ein Posing versessenen ‹Apple-Fanboys› offensichtlich ‹ihr Geld aus dem Fenster schmeißen können›, während man selbst gezwungen ist, in Läden wie dem ‹Media-Markt› um Tiefstpreise zu ringen. Das Etikett ‹schwul› faßt die Abneigung der großen Gruppe der Forenschreiber und Microsoft-Nutzer ganz hervorragend zusammen. Das Wort ‹schwul› zeigt, daß die Firma Apple, deren CEO und die Kunden eben nicht normal sind, und daß es deswegen angebracht ist, sich von ihnen zu distanzieren.

Wir haben am Anfang dieses Traktätchen gefragt, was denn der Impetus sein könne, bei der Vorstellung irgendeines neuen Gerätes irgendeiner Technik-Firma in den einschlägigen Medienforen in so einmaliger Weise zuzuschlagen? Nun sind wir in der Lage, die Antworten einzusammeln. Fassen wir zusammen: Die Kommentatoren können mit Hilfe ihres selbst gewählten Informationsmangels und mit ihrem Schlechtsprech über die Firma Apple, deren CEO, deren Produkte und deren Kunden in ihrem sozialen Mehrheitsraum verweilen, ohne sich mit Fragen ihres Selbstwertes befassen zu müssen. Mit einer xenophobischen Stigmatisierung, ja gar einer Pathologisierung des Anderen, des Fremden, des ‹Apple-Fanboys›, mit einer Ab- und Ausgrenzung also, kann die eigene Psyche stabil gehalten werden. Das hat naturgemäß auch sehr viel mit dem in Deutschland erfundenen ‹autoritären Charakter› zu tun. Aber uns reicht es jetzt! Finis!?


Schmankerl

Lieber Leser, liebe Leserin, schön, daß Sie uns bis hierher gefolgt sind. Wie belohnen Sie dafür mit diesen schönen Aphorismen:

«Eine starke Einbildung zaubert die Ereignisse herbei.»
(Michel de Montaigne)?

*

«Einbildung plagt jeden, peinigt viele und erledigt manche sogar.»
(Michel de Montaigne)?

*

«WALLENSTEIN mit finsterm Stirnfalten, doch gemäßigt.
‹Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort,
Das schwer sich handhabt, wie des Messers Schneide,
Aus ihrem heißen Kopfe nimmt sie keck
Der Dinge Maß, die nur sich selber richten.
Gleich heißt ihr alles schändlich oder würdig,
Bös oder gut – und was die Einbildung
Phantastisch schleppt in diesen dunkeln Namen,
Das bürdet sie den Sachen auf und Wesen.›»
(Friedrich Schiller: Wallensteins Tod, zweiter Aufzug, zweiter Auftritt)

***




Kommentare

(05.02.2010)

Lieber Helmut, lieber Artus,
was soll ich zu dieser unglaublichen Zitatensammlung des schieren Hasses sagen? Auf den ersten Blick weiß ich es nicht, aber was mich zutiefst schreckt und ängstigt, ist das soziale Phänomen, welches ihr hier verhandelt. Gibt es nicht zig Studien, in denen es um sozialen Druck und Ausgrenzung durch etablierte, dominante Gruppen geht und um Ressentiments gegen Minderheiten oder Gruppenneulinge (!)? Ist es in diesem Kontext nicht eigentlich erstaunlich, daß gerade die Microsoftapologeten, die sich im Bewußtsein einer 95-prozentigen und damit gleichsam monopolistischen Marktbeherrschung doch ruhig und wohlig in ihrer warmen und gut gefüllten Mehrheitswanne zurücklehnen könnten, sich angesichts dieses ‹Neulings› Apple aufführen wie aufgebrachte Jünger, deren Gott bepißt wurde? Und was ist denn mit den Mainstream-Microsoft-Computer-Produkten, die nicht einmal von einem gelungenem Äußeren sind, sondern ästhetisch in der Tat jene proletarische Unzulänglichkeit aufweisen, die die Microsoft-Apologeten – psychologisch so ungeschickt – sich selbst zuschreiben und gegen sich selbst wenden? Ja, da erklärt sich einiges: Man will sich nicht ins eigene Knie schießen und tut es dennoch!

Und auf den zweiten Blick denke ich: Ja, diese Leute würden am Ende morden. Es bräuchte dafür nur die passenden sozialen Räume und die Aufhebung von Recht und Ordnung für die ‹schwule› Minderheit, die doch recht eigentlich in die Psychiatrie gehöre. Das hatten wir schon einmal. Und die Hasser würden denken, sie mordeten für den gesunden Menschenverstand, für eine gesunde Welt-Ordnung. Sie würden es tun aus einem grandiosen, diffusen und vollständig unreflektierten Konglomerat heraus, bestehend aus einer explosiven Mischung düsterster Minderwertigkeitskomplexe und Profilneurosen, dumpfester Ressentiments und blankem Sozialneid. Und – nicht zu vergessen – aus schlichter Mordgier, welche die Suche nach Sündenböcken für all' diese Mißempfindungen stets und alle Tage mit sich bringt.

(Bernhard, Düsseldorf)

_______


(06.02.2010)

Lieber, sehr geehrter Herr Artus P. Feldmann, ich würde ich mich beehrt fühlen, wenn Sie dem trefflichen und literarisch überaus köstlichem Essay von Herrn Hansen und von Ihnen meinen bescheidenen Kommentar hinzufügten.

Die Frage ist: Woher resultiert der fundamentalistische Hass auf Apple, seinen Boss, die Apple-Produkte und die ‹Apple-Fanboys›? Warum müssen sich auch die kleinsten und zerpatschtesten sekundären Analphabeten zu Worte melden, wenn die Gelegenheit günstig ist? Nun, ich vermute, daß zum einen ein grosser Teil der Apple-Hass-Kommentare gekauft ist, also von Werbeagenturen und Opinion-Leadern der Gegenseite unter Pseudo-Identitäten gepostet wird. Auf der anderen Seite darf man aber auch nicht das Ausmaß der Kränkung vergessen oder vernachlässigen, welches die wohlgestalteten und funktionierenden Apple-Produkte bei Kunden hinterlassen, die viel Geld für ‹günstige› PC-Konstrukte in einem Laden ausgegeben haben, in dem nicht nur überhaupt alles ‹günstig› zu sein scheint, sondern in dem die Kunden per Definition in dem Glauben gehalten werden, sie zeigten ihr ‹Nicht-Blöde-Sein› bereits in dem Moment, in dem sie den Laden beträten. Wer es erträgt, der sehe sich einmal um in einem dieser Läden, schaue sich die endlosen Reihen von Computern und Laptops an, verlange gar eine Fachberatung – die immer und zuallererst auf den Preis verweisen wird – und stelle dem jungen Fachberater nur eine einzige fachliche Frage. Ach! Da bleibt nur eine unerfreuliche Überlegung: Der sogenannte ‹preiswerte› PC ist natürlich nicht an sich hässlich oder gar schlecht, nein, aber es drängt sich der bittere Schluß auf, er könne ein Spiegelbild des ästhetischen, ethischen und intellektuellen Horizontes seiner Benutzer sein. Soll ich weiter gehen? O.k.: Wer an ein solches PC-Produkt gefesselt und vom mitgelieferten Betriebssystem abhängig ist, der muss alles Schöne und Gute hassen. Soll ich noch weiter gehen: Wenn ich jemals in die Verlegenheit kommen sollte, einer Gehirnwäsche ausgeliefert zu werden, werde ich auf einer Gehirnwäsche durch Apple und Mister Jobs bestehen.

(Torsten, Berlin)



Erstellt: 28. Januar 2010 – letzte Überarbeitung: 3. Februar 2010
Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung.
Alle Rechte vorbehalten.
Bitte senden Sie weitere Kommentare zu diesem Text per E-Mail
an unseren Sachbearbeiter Dr. Artus P. Feldmann.