BOAG - Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung
«Mein kanadischer Sommer»
von Henriette Orheim
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«Nur der ist glücklich, der sich selbst dafür hält.»
(Michel de Montaigne)

«It is very difficult to find ‹Happiness› in yourself,
but it is impossible to find it elsewhere.»
(Anonymus)

... Oft saß ich im Garten der kleinen Pension unter einem Olivenbaum und träumte. Und ich spürte immer stärker die Gewißheit, daß dieser Sommer, mein kanadischer Sommer, der schönste meines Lebens war ...

Die Geschichte begann an einem Freitagmittag im Mai. Ich hatte von Montag bis Donnerstag ein anstrengendes Coaching in Hamburg geleitet und abends dann noch jeweils bis tief in die Nacht Bewertungsbögen und Protokolle ausgefüllt; doch jetzt fuhr ich zurück nach Berlin, denn am Samstagmorgen um sieben bereits ging mein Flieger nach Wien, wo ich ein wichtiges Coaching für die kommende Woche vorzubereiten hatte. Nun ja, das Leben ist kein Ponyhof.

So war ich auch ein wenig müde, als ich hinter Hamburg eine Raststätte ansteuerte, um noch einmal zu tanken. Seltsamerweise und ausnahmsweise war ich mit meinem Auto unterwegs, obwohl ich normalerweise Bahn und Flug bevorzuge. Aber genau das hatte wohl seinen Sinn, denn als ich nach dem Tanken die lange Auffahrt zurück zur Autobahn entlang fuhr, sah ich schon von weitem einen Mann in einer völlig unmöglichen rot-orange karierten Jacke, oder war es ein Hemd?, der offensichtlich als Tramper unterwegs war. Als ich an ihm vorbei fuhr und mich über sein katastrophales Outfit lustig machte, traf mich ein Blick von ihm. Treffen ist das richtige Wort. Ich fuhr bestimmt noch fünfzig Meter weiter, bevor ich endlich stand. Ich blickte in den Rückspiegel, und sah, daß dieser Mann in aller Ruhe eine Art großen Seesack aufnahm und langsam auf mich zukam. Er öffnete die Tür und fragte in einem seltsam klingenden Englisch, ob ich ihn nach Berlin mitnehmen könne. Ich sah ihn an und nickte nur. Er warf den Seesack auf die Rückbank, setzte sich und ich fuhr los.

Innerhalb von Sekunden war ich mir völlig fremd geworden. Ich war nicht in der Lage, den Mann noch einmal anzugucken, ich wußte nichts zu sagen, eigentlich war mir übel. Was ich mit einem Blick gesehen hatte, war, daß dieser Mann in der komischen Jacke groß und schlank war, ein fast rechteckiges Gesicht mit meerblauen Augen, Lachfalten, Grübchen, einem wunderschönen Mund – und ziemlich lange Haare hatte. Eigentlich sah er aus wie ein Rockstar. Mir war schlecht, ich bereute es bereits, den Mann mitgenommen zu haben. Nein, ich bereute es nicht.

Zum Glück sprach der Mann: Er sagte, er sei Kanadier und am Abend vorher in Hamburg ausgeraubt worden, er müsse dringend nach Berlin und dann wahrscheinlich nach Oslo und München. Mit dem letzten Rest meiner Geistesgegenwart nuschelte ich die Frage daher, warum er nicht zu seiner Botschaft in Hamburg gegangen sei. Oh ja, meinte er, das habe er doch getan, aber die Botschaft sei geschlossen gewesen. Ich war am Ende meiner Kräfte, denn dieses Englisch, jetzt hatte ich es raus, dieses Englisch hatte einen ganz sachten französischen Akzent. Zum Glück war es meine Aufgabe, nach vorne zu schauen.

Wir brauchten ziemlich lange nach Berlin, es war Freitag, es gab eine Menge Staus – und der Mann redete und redete. Heute glaube ich, er erzählte mir seine komplette Lebensgeschichte. Ich bin aber nicht sicher, denn ich hörte zwar zu, hörte aber eigentlich doch nicht zu. Ich war auf eine mir neue Art panisch glücklich, denn ich genoß die Nähe dieses mir fremden Mannes, ich erfreute mich an seiner Stimme, doch seine Anwesenheit, sein schieres Dasein, seine Präsenz lähmte und verstörte mich auf eine mir unbekannte Weise. Mir war ziemlich lange übel.

Als wir in Berlin ankamen und durch die Stadt fuhren, ging es mir besser. Ich fühlte mich irgendwie sicher und konnte ihn sogar ab und zu anschauen, lächeln oder irgendetwas Dummes sagen. Und er war in seiner Freundlichkeit, Höflichkeit und Eloquenz gleichbleibend wunderbar. In der Nähe meiner Wohnung fuhr ich zu einem kleinen, mir bekannten Hotel, gab ihm vierhundert Euro, sagte ihm, hier könne er preiswert übernachten, wünschte ihm alles Gute und verabschiedete mich. Doch er gab mir das Geld zurück und meinte, es wäre ganz unnötig und übertrieben für ihn, in einem Hotel zu übernachten. Wenn ich in meiner Wohnung, in meinem Flur irgendwo einen Platz für ihn hätte, würde er lieber bei mir übernachten, das würde völlig unnötige Ausgaben vermeiden und einen Schlafsack hätte er sowieso dabei. Er wüßte im Moment nicht, wie er an Geld kommen könnte, und er wolle sich auch nichts leihen, aber das mit dem Geld würde er am nächsten Tag regeln, spätestens aber in Oslo oder München.

Nun, mir ging es etwas besser, als am Beginn unserer gemeinsamen Fahrt. Doch ich war noch längst nicht klar. Einige Sekunden lang versuchte ich gegen den Gedanken anzudenken, daß dieser Mann mit mir in meine Wohnung kommen könnte, doch ich – die geordnetste und vernünftigste Frau diesseits des Mississippi – war immer noch konfus. Ich murmelte irgendetwas – und wir fuhren zu meiner Wohnung, die ich mir mit einer Freundin teile. Meine Freundin konnte um diese Zeit noch nicht von ihrer Arbeit im Krankenhaus zurück sein, und so beschloß ich, an der Ecke ein paar Sachen einzukaufen, um uns Dreien ein schönes Essen zu bereiten.

Wir standen also in der Küche und kochten, das heißt er kochte, und redete, und kochte, und redete, und ich tat fast gar nichts. Hörte ich zu? Ich glaube schon. Meine Freundin kam bald nach Hause, und wir aßen eine Art Zucchiniauflauf, den er zubereitet hatte, tranken einen Minervois und hatten einen schönen Abend. Als es spät wurde, übernachtete der Kanadier nicht in seinem Schlafsack im Flur, sondern in meinem Bett.

Früh am Samstagmorgen rief ich in der 24-Stunden-Zentrale meiner Firma an und bat, einen Platz in einigen späteren Flügen nach Wien zu buchen, ich hätte noch was zu erledigen. Als ich zurück zu meinem Bett kam, betrachtete ich eine ganze Weile diesen großen, schlafenden, schönen Mann, prägte mir seine Gesicht ein, studierte in Muße eine seiner Hände. Mir war immer noch komisch, aber in diesem Moment empfand ich diese Dystonie nicht als Übelkeit, sondern als grenzenlose Aufregung. Irgendwann küßte ich ihn vorsichtig, er wachte auf, freute sich, mich zu sehen, ja, schien gar nicht überrascht, ich krabbelte ins Bett und wir schliefen noch einmal miteinander.

Gegen zehn Uhr am Samstagmorgen frühstückten wir mit meiner Freundin zusammen, die mir ab und zu verstohlen zuzwinkerte, dann sagte der Mann, er müsse für zwei bis drei Stunden los, um etwas zu erledigen, aber er würde sich unendlich freuen, wenn er mich nachher noch einmal sehen dürfte. Er ging, meine Freundin ging auch, ich war allein in der Wohnung. Es ist schwer zu sagen, was ich damals dachte, vermutlich gar nichts. Auf jeden Fall rief ich gegen Mittag im Büro an und sagte, ich könne erst am Sonntag nach Wien fliegen, und ja, alles wäre in Ordnung, und nein, es gäbe keine Probleme, und ja, ich würde in Wien schon alles rechtzeitig vorbereiten. Dann wartete ich.

Der Mann kam gegen zwei Uhr zurück, erzählte mir von seinen Bemühungen und fragte mich, ob ich jemand in Oslo kennen würde, denn da müsse er dringend hin, um einige Angelegenheiten zu regeln. Mir fiel mein alter Freund Johannes ein, der tatsächlich Kontakte zum norwegischen Supreme-Court hat, ich rief ihn an, besorgte ein paar Telefonnummern, und war glücklich, etwas für den Mann tun zu können. Denn dieser Mann war in den Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit geraten, ja, meine Affordanzen, meine Möglichkeiten, schienen nur noch von ihm auszugehen, meine Lebensfülle schien mit einem Mal nur noch auf ihn zentriert zu sein und aus ihm zu schöpfen. Ich war überrascht, als mir dieser Gedanke kam, doch ich versuchte keineswegs, mich dagegen zu wehren. Ich war vielleicht auf eine mir unbekannte Weise wehrlos, doch dies beunruhigte mich überhaupt nicht, denn ich war glücklich, ich war von einem absolut tiefen Glück durchzogen, und ich meine durchzogen, denn immer wieder zog ein Blitz durch meinen Bauch, immer wieder löste sich ein Aufregungspartikelchen in meinem Solar Plexus und machte mich für eine Sekunde atemlos. Es war wunderbar.

Ich weiß nicht mehr genau, was wir am Samstag noch gemacht haben. Ich zeigte ihm wohl einige Plätze in Berlin, und abends kochte er wieder für meine Freundin und mich, wir schliefen miteinander, und am Sonntagmorgen meinte er, er müsse für zwei bis drei Stunden los, um etwas zu regeln, ich wartete auf ihn, vergaß, mein Büro anzurufen, freute mich unendlich, als er gegen drei Uhr wieder kam, sah ein, daß er zunächst nicht nach Oslo mußte, sondern nach München, stimmte ihm zu, daß es eine gute Idee sei, wenn wir zusammen führen. Denn er sagte, wenn er ganz ehrlich wäre, dann könne er sich nicht mehr von mir trennen, da er sich ganz schlimm in mich verliebt hätte. So etwa war das.

Am Montagmorgen fuhren wir mit meinem Auto nach München. Der Mann sagte, er kenne ein Stückchen außerhalb von München, etwas im Süden gelegen, einen Biohof, den einige Freunde von ihm bewirtschafteten, dort könnten wir auf jeden Fall eine Weile bleiben, bis er seine Angelegenheiten geregelt hätte. Und tatsächlich, da war ein schöner alter Bauernhof mit vielen großen Feldern und Gewächshäusern, und da waren sehr nette, etwas freakige Leute, die ihn voller Freude begrüßten, und da war ein alter Bauwagen, in dem wir übernachten konnten.

Wir waren einige Wochen in München, wie lange genau weiß ich nicht mehr, denn mein Zeitgitter verschwamm nach und nach, ich weiß nur, daß ich mich in meinem Büro nicht mehr meldete, nicht nach Wien fuhr, ja, überhaupt ganz plötzlich nicht das geringste Interesse mehr an meinem früheren Job hatte, daß ich ab und zu auf dem Hof aushalf und daß der Mann, den ich liebte, alle zwei bis drei Tage für ein paar Stunden mit meinem Auto nach München fuhr, um sich seinen Plänen zu widmen.

Es muß im Juni oder Anfang Juli gewesen sein, als der Mann mir sagte, er müsse unbedingt nach Barcelona, und er würde sich unermeßlich freuen, wenn ich mit ihm käme. Ich konnte mir im Ernst gar nichts anderes vorstellen, und so fuhren wir. Wir wählten einen Weg, der nicht über die Schweiz führte, denn der Mann meinte, dort bekäme er an der Grenze Schwierigkeiten, weil er ja eben in Hamburg ausgeraubt worden sei und keinen Ausweis mehr hätte.

In Barcelona wohnten wir bei einer sehr netten Frau, die einmal einen kleinen italienischen Feinkostladen im Ruhrgebiet hatte und dann ihrer großen Liebe gefolgt war. Dieser Mann war mit ‹meinem› Mann gut bekannt. Und alle paar Tage gingen sie gemeinsam für ein paar Stunden in die Stadt, um sich um ihre Sachen zu kümmern. Ich kaufte in dieser Zeit das ein, was mir der Mann angeraten hatte, und abends kochte er für uns alle mit einer Finesse, Liebe und Leichtigkeit, die mich immer wieder überraschte.

Ich denke, es war im August, als wir zusammen nach Alicante fuhren. Dort fanden wir eine kleine Pension, in der wir einige Wochen glücklich zusammen lebten. Gelegentlich half ich der Pensionswirtin im Haushalt und im Garten, und der Mann regelte für ein paar Stunden in der Stadt seine Angelegenheiten, so wie ich es seit der Zeit mit ihm gewohnt war. Mittlerweile wußte ich, daß ich schwanger war, doch ich sagte es ihm nicht. Ich freute mich sehr auf das Kind, denn ich dachte, daß bei einer so großen Liebe zu einem Mann ein Kind ganz selbstverständlich und natürlich sei.

Eines Morgens, es war Anfang September, fuhr er mit meinem Auto in die Stadt und kam nicht wieder. Das war noch nie geschehen. Wenn ‹mein› Mann mir sagte, er wäre in zwei bis drei Stunden wieder zurück, dann war er auch in zwei bis drei Stunden zurück. Doch diesmal nicht.

Ich wartete etwa vier Wochen auf ihn. Oft saß ich im Garten der kleinen Pension unter einem Olivenbaum und träumte. Und ich spürte immer stärker die Gewißheit, daß dieser Sommer, mein kanadischer Sommer, der schönste meines Lebens war. Eines Tages rief ich meine Freundin in Berlin an und sagte, ich käme jetzt zurück.



Diverse Kommentare

(1.12.2009)

Nach den vielen überwiegend weiblichen Einsendungen fühle ich mich gedrängt, hier auch mal als Mann Stellung zu beziehen. Und ich muss wirklich sagen, mein Frauenbild wird mal wieder bestätigt. Das ist doch typisch! Da lässt sich eine Frau auf einen Mann ein, den sie nicht kennt – wie naiv ist das denn? – und schlendert aus dieser Geschichte mit romantischen Vorstellungen, mein Gott. Dieses Bild, das hier kitschig angepriesen wird, bewirkt wahrscheinlich, dass andere Frauen auch mal so was Tolles erleben wollen und gleich den erst besten Heiratsschwindler oder Gauner in ihrem Auto mitnehmen. Ich bin fassungslos. Mir und meiner Frau blieb nur noch unverständliches Kopfschütteln darüber, wie jemand die Vernunft – eine der größten Errungenschaften der Menschheit! – so außen vor lassen kann!
Außerdem ist das Ende der Geschichte (man wünschte sich, sie wäre nur erfunden) überhaupt nicht klar. Meine Frau meinte: Da müsse man sich doch Sorgen um seinen Mann machen, wenn der einfach verschwindet, und zur Polizei gehen! Was, wenn ihm etwas passiert ist? Aber da reist diese Frau, nachdem sie sich von dem Mann in jeder Weise hat verköstigen lassen, seelenruhig nach Hause. Es wäre ja auch schlimm, wenn man nach solch tollen Monaten plötzlich mit Unannehmlichkeiten konfrontiert würde. Ist das romantisch? Nein, das ist egoistisch!

(Bernd, Potsdam)

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(1.12.2009)

Also. Ich finde diese Geschichte sehr berührend. Ja. Sie erinnert mich an mein Leben. Ich habe sie selbst oft schon erlebt. Ich habe schon mehrere Autos verloren, mehrere Männer mit langen Haaren haben sich in Luft aufgelöst, und so viel Geld ist dafür drauf gegangen, durch die Welt zu bummeln, ohne wirklich produktiv zu sein. Und im Wohnwagen kann es sehr gemütlich sein! Und jede dieser einmaligen Liebesbegegnungen hat etwas hinterlassen! Zwar kein Kind, jedoch etwas. Denn das Glück kommt nicht, und geht nicht! Das Glück ist.

(Sonja, Steele)

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(30.11.2009)

Ich halte es für ziemlich unsachlich, dass sich hier ein angeblicher Mann erdreistet, selbst festzulegen, was an der so genannten Frauenemanzipation gelungen sein soll und was nicht, ob sie gescheitert sei oder nicht, und warum. So viel zu ‹patriarchalischen Herrschaftsstrukturen›. Selbst die Deutungshoheit über Emanzipation wollen Männer an sich reißen unter dem Deckmäntelchen der angeblich wohl gemeinten Unterstützung: &xnbsp;Wir Männer wollen Euch helfen, dass Ihr Euch auch ja richtig emanzipiert.
Danke. Wirklich. So weit kommt's noch.
Emanzipiert Euch doch selbst erst einmal! Wer zum Unterdrückergeschlecht gehört, sollte sich mit solchen Äußerungen zurück halten. Ich denke, dass die meisten Kommentare nicht auf das Denken des weiblichen Geschlechts, sondern eben auf den Zeitgeist unserer Gesellschaft verweisen. Geschlechtliches Denken? Nein, Danke!

(Evelyn, Augsburg)

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(30.11.2009)

Liebe Henriette,
danke für die schöne Geschichte. Ich bewundere die Frau, die so lächelnd aus einer erfüllten Zeit, ohne Groll, Abrechnung und Rechthabereien scheidet. Es ist natürlich nicht menschlich, sondern idealistisch – wer will schon ‹Reality-Geschichten› auf der Boag-Seite?!
Und für mich scheint auch die gekränkte Seele und die traurige Einsamkeit des zurückgelassenen Teils in ihr durch das offene Ende hindurch. Sind dies nicht die Preise, die wir für lebendiges Erfahren von großen Gefühlen zahlen?!
Mit Jochen Distelmeyer habe ich schon seit langem einen vagabundierenden Gefährten, der Lieder zum Abschied und Neubeginn singt: Sein neuestes Lied «Lass uns Liebe sein» empfehle ich jede(r) im Hier- und Jetzt-Verhafteten. ;-)

(Anna, Berlin)

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(29.11.2009)

Liebe Henriette,
eine wunderbare Geschichte ist Dir hier gelungen. Doch wenn ich die Kommentare zu dieser Geschichte lese, kommt mir das kalte Grausen. Die dritte Frauenemanzipation hat aufgehört, patriarchale Herrschaftsstrukturen in Frage zu stellen. Wir haben es offenbar geschafft, aus der Emanzipation eine Assimilation werden zu lassen und den tumben Materialismus auch im Denken der Frau fest zu verankern. Die einen versinken in Selbstmitleid, weil der Mann weg ist und keiner zahlt, die anderen können sich ein Leben ohne Kreditkarte offenbar nicht vorstellen. Frauen: Habt ihr denn nur das Falsche gelernt? Wenn am Ende nur übrig bleibt, wer für das Balg zahlt, dann bin ich hiermit erklärter Gegner dieser Emanzipationsbewegung.

Und: Ist euch aufgefallen, dass die Geschichte, abgesehen von mir, nur von Frauen kommentiert wurde? Vielleicht solltet ihr mal darüber nachdenken, aber Männer interessieren sich ja bekanntlich nicht für solche Geschichten, nicht wahr?

(Stefan, Gutcity)

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(24.11.2009)

Die rechtliche Situation bei der Entwendung einer beweglichen Habe ist eindeutig. Hier kommen, je nach Bewertung, Raub, Betrug, Unterschlagung oder Diebstahl in Frage. Und so etwas wird bestraft. Angebliche Liebe hin oder her. Und selbstverständlich hat der Vater, auch wenn er derzeit wohl unauffindbar ist, für sein Kind zu zahlen. Ich hoffe, daß diese verführte unglückliche junge Frau so bald wie möglich wieder vernünftig wird und eine gute Anwältin zu Rate zieht. Sie kann sich auch jederzeit an mich wenden.

(Cornelia, Berlin)

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(22.11.2009)

Wie traurig muß sie sein! So ein kurzes Glück! Sie hat ihm doch alles gegeben. Und dann das. Jetzt hat sie ihr Leben verpfuscht und wird die Konsequenzen tragen müssen. Und eigentlich kann ich auch kein Mitleid haben. Sie ist selber schuld.

(Claudia, Bamberg)

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(19.11.2009)

Diese Geschichte hat mich echt angefasst. Dank dafür! Ach! Einmal nur den Lebenskäfig verlassen und sich einer Freiheit und Ungebundenheit hingeben, die so für uns, in unseren engen Bahnen, gar nicht vorgesehen ist! Und einmal nur so unabdingbar geliebt werden, einmal nur das erleben! Das könnte mich doch allemal entschädigen für all diese Enttäuschungen, die ich mit vernünftigen, rationalen, anständigen, langweiligen Männern erlebt habe, die einem nichts, aber auch gar nichts an Abenteuer, Anregung, Aufregung, Glück, Lebendigkeit und Liebe zu geben haben. Lieber ein endliches Glück als unendliche Langeweile. Aber, na ja, welche Frau würde sich trauen, diesen wunderschönen Traum zu leben? Ich weiß nicht, ob ich das zulassen könnte. Und das Verrückte, das eigentlich Unbegreifliche, ist ja, sie ist schwanger, beklaut worden, verlassen worden – und glücklich! Puh! Aber da fällt mir ein passender Aphorismus von Karl Kraus ein, den ihr bei der BOAG ja immer so hoch haltet (übrigens auch Dank dafür), und weil ihr beim Zitieren immer so genau seid, er steht in der Fackel Nr. 287 vom 16.9.1909, auf Seite 20:

«Lieben, betrogen werden, eifersüchtig sein - das trifft bald einer. Unbequemer ist der andere Weg: Eifersüchtig sein, betrogen werden und lieben.»

(Karla-Luise, Wien)

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(18.11.2009)

Wieso ‹Kanadischer Sommer›? Die waren doch gar nicht in Kanada. Merkt das hier kein Mensch? Wenn schon, dann heißt das ‹Mein Spanischer Sommer› oder ‹Der Mann mit der komischen Jacke›. Aber, wer versteht das schon?

(Hanne, Wuppertal)

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(16.11.2009)

Liebe Redaktion der BOAG, diese Geschichte hat mich verstört. Das kann doch kein Ernst sein, das ist doch wohl nicht wirklich passiert? So dumm kann doch keine Frau sein. Dieser Mann ist doch ein Scharlatan, ein Schwindler, den kann man doch nicht lieben. Klar, dann denke ich, vielleicht ist das ganze ja nur Fiktion und nicht Wirklichkeit, das hoffe ich doch sehr, aber ich mußte immer daran denken, daß die Frau jetzt da mit einem Kind sitzt, und sie weiß, wer der Vater ist, aber sie weiß nicht, wer er ist. Und wo. Das ist nicht schön!

(Bettina, Essen)

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(15.11.2009)

Liebe Henriette Orheim, diese Geschichte gehört doch nicht in die Rubrik ‹Warum das Leben schön ist›, dafür habe ich kein Verständnis, denn diese Geschichte ist doch schrecklich! Jetzt mal ganz im Ernst, welche vernünftige Frau gibt denn ihren guten Job auf, um mit einem unzuverlässigen Zigeuner durch die Welt zu ziehen? Das gibt es doch gar nicht. So blöd kann doch nicht einmal die Blödeste sein! Was hat sie denn von diesem Mann gehabt, jetzt wo er wieder weg ist? Das ist doch den Verlust des Arbeitsplatzes nicht wert, und die Frau ist ja bestimmt entlassen worden! Blöde Geschichte, und überhaupt nicht lustig! In erster Linie muß man doch an sich selbst denken!

(Gaby, Marburg)

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(13.11.2009)

Was ich nicht verstehe, ist, daß diese Frau einen super Job hat, ok? Und einen Mann kennen lernt, ok? Und dann Knall auf Fall einfach alles Wichtige in ihrem Leben vergißt, ok? Nein! Das ist nicht ok. Die Liebe zu diesem Komiker kann doch nicht plötzlich das Wichtigste werden!? Und schlimm finde ich eben in diesen Zeiten, daß der Arbeitsplatz weg ist. Der ist doch wohl das Wichtigste, auf jeden Fall wichtiger als irgendein Getändel mit einem Beau! Also: Mir hat die Geschichte überhaupt nicht gefallen! Was soll das denn!?

(Katharina, Berlin)

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(12.11.2009)

Liebe Leute von der BOAG, eine Freundin hat mich auf diese Geschichte verwiesen, und ich wollte euch nur sagen, so was Ähnliches habe ich auch mal erlebt und hatte dann ziemlich viel Ärger, mein Geld zurück zu kriegen und solche Sachen. Man sollte sich darauf nicht einlassen. So viel kann einem ein Mann doch gar nicht bedeuten! Vielleicht ist eure Geschichte eine gute Warnung für andere Frauen!

(Andrea, Hamburg)

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(12.11.2009)

Liebe Henriette, die Geschichte ist ja ganz nett, weil eben so was nicht wirklich passiert. Aber was ich überhaupt nicht verstehe, ist, was denn aus dem Auto geworden ist. Das gehörte doch ihr, oder? Das hat dieser Mann doch einfach geklaut. Warum zeigt sie ihn nicht an? Warum geht sie nicht zur Polizei? Warum will sie das Auto denn nicht wieder haben? Das ist doch nicht in Ordnung! Dieser Mann ist doch ein Betrüger. Wieso ist die Frau so gelassen, ja, manchmal denke ich, die ist sogar glücklich? Aber wie kann man glücklich sein, wenn einem das Auto geklaut wurde? Das paßt doch hinten und vorne nicht zusammen! Das kriege ich nicht in meinen Kopf. Fazit: Blöde Geschichte.

(Sibylle, Wuppertal)

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(11.11.2009)

Hallo! Ich bin über diese Geschichte gestolpert und war sofort ärgerlich. Alles Wichtige ist hier weggelassen worden. Zum Beispiel: Wovon haben die beiden denn diese Wochen oder Monate gelebt? Von ihrem Geld? Er hatte doch bestimmt nix. Wenn sie einen guten Job hatte, denke ich mal, hatte sie eine Kreditkarte. Haben sie davon gelebt? Die können doch nicht von Luft und Liebe leben. Solche Geschichten passen doch überhaupt nicht mehr in unsere Zeit. Diese Geschichte hat auch nix mit Liebe zu tun. Er ist doch einfach nur ein Nassauer! Den kann man doch nicht lieben. Der nutzt einen aus. Wer will denn heute ausgenutzt werden? Wirklich eine ärgerliche Geschichte!

(Angela, Hamburg)

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(10.11.2009)

Liebe Henriette, dies ist die schönste Geschichte, die ich in meinem Leben je gelesen habe. Genau so stelle ich mir eine große, tiefe, romantische Liebe vor, eine wirkliche und wahre Liebe, die alles aufgibt, die nichts fordert, die das schlichte Zusammensein mit einem geliebten Menschen als schieres Glück empfindet. Eine Liebe, die keine weltlichen Perspektiven hat. Eine Liebe, in der nur geliebt wird. Ich finde es ganz toll, Henriette, daß Du in dieser kleinen Erzählung gezeigt hast, daß wir selbst in diesen beschleunigten Zeiten ganz plötzlich in eine heile, sich selbst aufgebende Liebesbeziehung fallen können, wenn wir es zulassen. Und über die anderen Einsendungen kann ich nur sagen, daß sie ein völliges Unverständnis von dem zeigen, was Liebe eigentlich bedeutet. Überall wird gerechtet und gerichtet. Doch die wahre Liebe ist nicht von dieser Welt! In der wahren, eigentlichen Liebe wird nicht gerechtet und gerichtet! Da wird geliebt! Dank also für die Einräumung dieser Möglichkeit.

(Monika, Berlin)

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(10.11.2009)

Liebe Henriette, klar, ich verstehe, der Topos ‹Brücken abbrechen›, ‹ein neues Leben beginnen›, ‹ganz von vorn anfangen› ist ganz nett. Das ist ein uraltes literarisches Sujet. Aber doch nicht so! Diese Geschichte ist das Unwahrscheinlichste, das ich je gelesen haben. Wenn das ein Roman wäre, würden alle lachen. Niemand verhält sich so! Ob mit oder ohne Liebe!

(Laura, Bochum)

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(10.11.2009)

Liebe Redaktion der BOAG, eigentlich finde ich diese Geschichte ja ganz nett, aber es nicht wirklich erklärt worden, worin denn die Faszination des Mannes besteht, die er ja wohl auf diese arme Frau ausgeübt hat. Das erschließt sich mir einfach nicht. Darüber hätte ich gerne mehr erfahren. Der Mann wird gar nicht genau beschrieben. Was tut er? Wie ist er? Wie spricht er? Wenn man das nicht weiß, kann man die Geschichte nicht nachvollziehen!

(Marion, Erfurt)

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(6.11.2009)

Komische Erzählung. Am komischsten ist, daß die Hauptperson, also die Frau, sich nicht einmal beklagt. Auch am Schluß nicht, immerhin hat sie kein Auto mehr, ist schwanger, und viel Geld wird auch nicht mehr übrig sein. Warum klagt diese Frau nicht? Das gibt mir zu denken. Aber ich komm damit nicht klar.

(Rosemarie, Göttingen)







Erstellt: 27. Oktober 2009 – letzte Überarbeitung: 1. November 2009
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