BOAG - Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung
«Konstruktivistisches Vademekum»
von Artus P. Feldmann
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Realisten sagen in ihrem realistischen Alltag allerlei, um sich – immer wieder – zu bestätigen, daß die Realität so sei, wie sie sich soeben darstelle. Wir hören dann – zum Beispiel – ein deutliches «Is' wie's is!», ein kauziges «Was soll man dazu sagen!?» oder ein fröhliches «Prost Mahlzeit!» Das kann diagnostisch klingen, zynisch, gelegentlich auch mutlos. Sicher, ein Konstruktivist würde zu einem «Is' wie's is!» als erstes sagen: «Nun, es könnte allerdings auch ganz anders sein!» Das ist beruhigend. Konstruktivisten haben aber – darüber hinaus – noch eine ganze Reihe von Möglichkeiten, sich mit Hilfe von anmutigen Glaubenssätzen, Lebensweisheiten und Sinn- und Kalendersprüchen über den Alltag zu bringen.

Die folgende Zusammenstellung soll Ihnen, den geneigten Lesern und Leserinnen, wie eine Art Vademekum, wie ein «Nimm-mich-mit-hinaus-ins-tägliche-Leben-und-habe-mich-immer-dabei!» dienen, mit dem Behufe, als Konstruktivist und Konstruktivistin in den vielfältigsten Anforderungssituationen und -kontexten des gewöhnlichen Lebens immer einen guten Spruch bei der Hand zu haben, der – erst einmal – weiter hilft, indem er die momentane Situation verdeutlicht, entspannt, erklärt und auf das Wesentliche zurückführt.

Zunächst eine ganze Reihe grundsatzorientierter sprachlicher Wirker, die in intellektuellen Kontexten dabei helfen, fast alle Diskursklippen zu umschiffen. Einfach unschlagbar als Einleitungsfloskel im konstruktivistischen Diskurs ist: «Mir gefällt die Vorstellung, daß …!» Und so könnte es dann weiter gehen:

Alles was gesagt wird, wird von jemandem gesagt. (Humberto Maturana) Sprache schafft Wirklichkeit. (Konstruktivistischer Volksmund)

Man kann nicht nicht kommunizieren, diagnostizieren, intervenieren, etikettieren etc. (Paul Watzlawick)

Handle stets so, daß die Anzahl der Möglichkeiten wächst. (Heinz von Foerster)

Populationen leben den Stil der Zitate, derer sie mächtig sind. (Oswald Wiener)

Wir schauen mit den eigenen Augen, aber wir sehen mit den Augen des Kollektivs. (Ludwik Fleck)

Alles im Leben ist freiwillig. (Franz Beckenbauer)

Mir gefällt die Vorstellung, daß wir mal versuchen, das Ganze systemisch zu betrachten! (Konstruktivistischer Volksmund)

A geht es besser, wenn es B besser geht. (Heinz von Foerster)

Nur prinzipiell unentscheidbare Fragen können wir entscheiden. (Heinz von Foerster)

Ethik und Ästhetik sind eins. (Der große Dunkle aus Wien)

Die Welt, wie wir sie sehen, ist genau das, die Welt, wie wir sie sehen. (Ernst von Glasersfeld.)

Es gibt keine Beobachtung ohne eine Beobachterin. (Heinz von Foerster)

Auch Macht ist nur eine Konstruktion! (Bochumer Arbeitsgruppe)

Wenn ich mich zwischen zwei Alternativen entscheiden soll, wähle ich die dritte. (Konstruktivistischer Volksmund)

Meine Depression (mein Etikett) ist die Depression (das Etikett) der anderen. (Konstruktivistischer Volksmund)

Ist doch sowieso alles nur konstruiert! (Konstruktivistischer Volksmund)

Wir machen den Unterschied, der den Unterschied macht. (Gregory Bateson)

Hier sollten wir sorgfältig zwischen der Wirklichkeit 1. und 2. Ordnung unterscheiden! (Paul Watzlawick)

Wir können nicht denken, wofür wir keine Wörter haben. (Hier gibt es wohl viele Väter oder Mütter)

In diagnostisch-therapeutischen Settings bietet sich als Zwischenfazit eines Fach-Diskurses immer an: «Mir gefällt die Vorstellung, daß wir hier zu einem ‹Sowohl als auch›, statt zu einem ‹Entweder oder› kommen!» (Konstruktivistischer Volksmund) Und als Höhepunkt eines Fach-Diskurses einfach nicht zu toppen ist: «Mir gefällt die Vorstellung, daß wir irgendwann von der Instruktion zur Perturbation und von der Behandlung zur Verhandlung kommen!» (Konstruktivistischer Volksmund)

In Diskursen mit Nicht-Intellektuellen helfen folgende Sprachfiguren, die auf die eine oder andere Weise schon in den alltäglich-realistischen Sprachgebrauch abgesackt sind: Es ist ein Unterschied, ob wir meinen, das Glas sei halbvoll oder halb leer. (Volksmund)

Man ist so alt, wie man sich fühlt. (Volksmund)

Artus P. Feldmann freut sich über die Einsendung weiterer konstruktivistischer Glaubenssätze!



Erstellt: 20. Oktober 2000 – letzte Überarbeitung: 20. Oktober 2000
Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung.
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